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Fahr­zeug-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer (FIN)

Lese­dau­er 5 Minu­ten

Ist eine Fahr­zeug-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer (FIN) ein per­so­nen­be­zo­ge­nes Datum? Es gibt sicher­lich span­nen­de­re Fra­gen und so manch einer mag allei­ne die Über­le­gung für unwich­tig hal­ten, doch dem Sach­ver­halt ist durch­aus Auf­merk­sam­keit zu schen­ken. Denn der Euro­päi­sche Gerichts­hof (EuGH) hat bereits am 09.11.2023 eine bedeu­ten­de Ent­schei­dung (vgl. Rechts­sa­che C‑319/22) bzgl. der Aus­le­gung gefällt, wann sach­be­zo­ge­ne Seri­en­num­mern ein per­so­nen­be­zo­ge­nes Datum sind.

Der Aus­lö­ser

Ein Auto­her­stel­ler (Sca­nia CV AB) mach­te Repa­ra­tur- und War­tungs­in­for­ma­tio­nen gemäß Art. 61 Abs. 1 der EU-Ver­ord­nung 2018/858 gegen­über frei­en Ersatz­teil­händ­lern und ande­ren „unab­hän­gi­gen Wirt­schafts­ak­teu­ren“ auf sei­ner Web­site zugäng­lich. Hier­bei ver­öf­fent­lich­te er zunächst nicht die FIN. Der Klä­ger (Gesamt­ver­band Auto­tei­le-Han­del e. V.) ver­trat die Mei­nung, dass der Auto­her­stel­ler in die­sem Fall sei­ner recht­li­chen Ver­pflich­tun­gen aus Art. 61 Abs. 1 EU-Ver­ord­nung 2018/858 nicht ord­nungs­ge­mäß nach­ge­kom­men sei, da die FIN fehl­te. Der Auto­her­stel­ler ver­nein­te dies mit der Begrün­dung, dass die FIN ein per­so­nen­be­zo­ge­nes Datum sei und nicht ohne ent­spre­chen­de Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge aus der DSGVO oder einem natio­na­len Spe­zi­al­ge­setz an Drit­te her­aus­ge­ge­ben wer­den darf.

Die Fra­gen an den EuGH

Wel­che kon­kre­ten Pflich­ten über Form, Inhalt und Umfang hat der Fahr­zeug­her­stel­ler gem. Art. 61 Abs.1 und Abs. 2 EU-Ver­ord­nung 2018/858 ein­zu­hal­ten und stellt nach Art. 61 Abs. 1 der EU-Ver­ord­nung 2018/858 für Fahr­zeug­her­stel­ler eine recht­li­che Ver­pflich­tung im Sin­ne des Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO dar, wel­che die Her­aus­ga­be von FIN bzw. mit FIN ver­knüpf­ten Infor­ma­tio­nen an unab­hän­gi­ge Wirt­schafts­ak­teu­re als ande­re Ver­ant­wort­li­che im Sin­ne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO rechtfertigt?

Die FIN stellt gemäß Art. 2 Abs. 2 der Ver­ord­nung Nr. 19/2011 die Fahr­zeug-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer eines Fahr­zeugs dar. Sie also ein alphanumerische:r Code, den der Her­stel­ler einem Fahr­zeug zu dem Zweck zuweist, dass sich jedes Fahr­zeug ein­wand­frei iden­ti­fi­zie­ren lässt. Die­ser Code ent­hält u. a. Infor­ma­tio­nen über den Her­stel­ler­code, die Bau­rei­he, das Modell­jahr sowie die Fahr­zeug­num­me­rie­rung. Somit alle rele­van­ten Daten, um ein Fahr­zeug ein­deu­tig zu iden­ti­fi­zie­ren. Wird die FIN aus­schließ­lich unter die­sem Aspekt betrach­tet, so stellt die­se kein per­so­nen­be­zo­ge­nes, son­dern ein sach­be­zo­ge­nes Datum dar.

Per­so­nen­be­zo­ge­nes oder sach­be­zo­ge­nes Datum?

Nach Art. 4 Nr. 1 der DSGVO sind per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten „alle Infor­ma­tio­nen, die sich auf eine iden­ti­fi­zier­ba­re natür­li­che Per­son (im Fol­gen­den „betrof­fe­ne Per­son“) bezie­hen; als iden­ti­fi­zier­bar wird eine natür­li­che Per­son ange­se­hen, die direkt oder indi­rekt, ins­be­son­de­re mit­tels Zuord­nung zu einer Ken­nung wie einem Namen, zu einer Kenn­num­mer, zu Stand­ort­da­ten, zu einer Online-Ken­nung oder zu einem oder meh­re­ren beson­de­ren Merk­ma­len, die Aus­druck der psy­chi­schen, phy­sio­lo­gi­schen, gene­ti­schen, wirt­schaft­li­chen, kul­tu­rel­len oder sozia­len Iden­ti­tät die­ser natür­li­chen Per­son sind, iden­ti­fi­ziert wer­den kann“.

Sach­da­ten sind dage­gen Daten, bei denen kein Per­so­nen­be­zug besteht, son­dern die sich nur auf eine Sache bezie­hen. Aller­dings ist die FIN neben dem Namen und der Anschrift des Fahr­zeug­hal­ters in der Zulas­sungs­be­schei­ni­gung hin­ter­legt. Name und Anschrift eines Fahr­zeug­hal­ters sind selbst­ver­ständ­lich per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten i. S. d. Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Durch die Zusam­men­füh­rung der FIN mit den in der Zulas­sungs­be­schei­ni­gung ent­hal­te­nen Daten ist nun ein Per­so­nen­be­zug gege­ben, sodass die FIN folg­lich zu einem per­so­nen­be­zo­ge­nen Datum wird und damit unter den sach­li­chen Anwen­dungs­be­reich der DSGVO (Art. 2 Abs. 1 DSGVO) fällt.

Die Ent­schei­dung des EuGH

Der EuGH kam zu dem Ergeb­nis, dass die FIN an sich kein eigen­stän­di­ges per­so­nen­be­zo­ge­nes Datum ist, son­dern erst durch die Hin­zu­zie­hung wei­te­rer geeig­ne­ter Mit­tel, in die­sem Fall der Zulas­sungs­be­schei­ni­gung zu einem sol­chen wird. Dabei beruht die Ent­schei­dung auf der Begriffs­be­stim­mung gemäß Art. 4 Nr. 1 der DSGVO, wonach per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten alle Infor­ma­tio­nen sind, die sich auf eine iden­ti­fi­zier­te oder iden­ti­fi­zier­ba­re natür­li­che Per­son beziehen.

Der EuGH defi­niert den Begriff der Iden­ti­fi­zier­bar­keit einer Per­son dabei in sei­nem Urteil dahin­ge­hend, dass eine Per­son iden­ti­fi­zier­bar ist, wenn alle Mit­tel berück­sich­tigt sind, die diese

„ver­nünf­ti­ger­wei­se ent­we­der von dem Ver­ant­wort­li­chen im Sin­ne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO oder von einem Drit­ten ein­ge­setzt wer­den könn­ten, um die betref­fen­de Per­son zu bestim­men, ohne dass es jedoch erfor­der­lich ist, dass sich alle zur Iden­ti­fi­zie­rung die­ser Per­son erfor­der­li­chen Infor­ma­tio­nen in den Hän­den einer ein­zi­gen Ein­rich­tung befinden.”

(Urteil des EuGH vom 09.11.2023, Az. C‑319/22, Rn. 45; Urteil des EuGH vom 19.10.2016, Az. C‑582/14, Rn. 42 und 43)

Im Fal­le des hier vor­lie­gen­den Rechts­strei­tes war also zu klä­ren, ob die Ersatz­teil­händ­ler oder ande­re unab­hän­gi­ge Akteu­re über Mit­tel und Zusatz­in­for­ma­tio­nen ver­fü­gen, um bzgl. der FIN einen Per­so­nen­be­zug her­stel­len zu kön­nen. Ist dies nicht der Fall, ist die FIN auch kein per­so­nen­be­zo­ge­nes Datum. Der EuGH stellt aber in die­sem Ein­zel­fall klar, dass der Auto­her­stel­ler die FIN auch her­aus­ge­ben muss, da er nach Art. 61 Abs. 1 der Fahr­zeug­ge­neh­mi­gungs­ver­ord­nung (EU-Ver­ord­nung 2018/858) zur Her­aus­ga­be ver­pflich­tet ist. Somit besteht für die Über­mitt­lung der FIN eine Rechts­grund­la­ge, denn

die Ver­ar­bei­tung ist zur Erfül­lung einer recht­li­chen Ver­pflich­tung erfor­der­lich, der der Ver­ant­wort­li­che unterliegt;

Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. c DSGVO

Die Aus­wir­kun­gen

Eine FIN bzw. alpha­nu­me­ri­scher Code ist für sich genom­men kein per­so­nen­be­zo­ge­nes Datum, kann aber durch Hin­zu­zie­hung wei­te­rer Infor­ma­tio­nen zu einem per­so­nen­be­zo­ge­nen Datum wer­den. Daher lässt sich die­ses Urteil durch­aus auf jede ande­re Art von Kenn­zif­fer oder Seri­en­num­mer über­tra­gen, wel­che ohne Hin­zu­zie­hung von wei­te­ren Infor­ma­tio­nen kei­ne natür­li­che Per­son iden­ti­fi­zier­bar machen. Somit ist stets im Ein­zel­fall zu prü­fen, ob jene Stel­le über ent­spre­chen­de Mit­tel und Zusatz­in­for­ma­tio­nen ver­fügt, um einen Per­so­nen­be­zug bei einem rein sach­be­zo­ge­nen Datum herzustellen.

Also las­sen Sie sich gute beraten.

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