In Deutschland erfreuen für die Terminvergabe in Arztpraxen sogenannte Praxisverwaltungssysteme (PVS) auch aufgrund der Corona-Pandemie einer erhöhten Beliebtheit.
Doch die kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat bei ihrer Vertreterversammlung in Berlin darauf gedrängt, dass die zuständigen Datenschutzbehörden dringend einen Blick auf die Zugriffsmöglichkeiten von Dienstleistern und Portalen der Praxisverwaltungssysteme (PVS) von Praxen werfen.
Dabei betonte der KBV-Vorstand Thomas Kriedel, das Hinweise von niedergelassenen Ärzten auf Probleme sehr ernst genommen werden.
Datenschutzlücken
Zudem weist auch ein Gutachten von Thilo Weichert, ehemaliger Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein, auf bestehende Datenschutzlücken hin. Dabei sieht er die Datenschutzbeauftragten auf Bundes- und Länderebene in der Verantwortung für Klarheit zu sorgen.
„Die Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten müssen sich darauf verlassen können, dass die Daten in ihrem PVS sicher sind“
erklärte Thomas Kriedel.
Der KBV-Vorstand macht deutlich, dass man die derzeitigen Signale zur Digitalisierung aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) grundsätzlich positiv bewertet. Allerdings müssten „den Worten jetzt dringend Taten folgen“.
Konkrete Zeitvorgaben
Die konkrete Zeitvorgabe von BMG und Bund, wonach das elektronische Rezept (E‑Rezept) bis zum Jahr 2025 Standard in der Arzneimittelversorgung sein soll, wertete Thomas Kriedel heute als ambitioniert.
„Wir brauchen von der Politik kein Wunschdenken, sondern eine intelligente Digitalisierungsstrategie, mit wohl durchdachter Umsetzung.“
Telematikinfrastruktur
Der Erfolg der Telematikinfrastruktur (TI) steht und fällt mit der Gematik.
„Sie braucht einen klaren Auftrag und zusätzliche Kompetenzen. Dazu gehört die volle Betriebsverantwortung für die TI. Aber nicht das Entwickeln von Apps. Das kann die Industrie besser“,
so Thomas Kriedel.
Die konzeptionelle Beschränkung auf die E‑Rezept-App sei wenig zielführend, vielmehr hätte man schon deutlich früher andere Übertragungswege wie elektronische Gesundheitskarte (eGK), E‑Mail und SMS prüfen müssen.
„Wer das E‑Rezept bei den Menschen etablieren will, muss ihnen den Zugang so leicht wie möglich machen“.
betonte Thoms Kriedel.
Kassenärztliche Vereinigung
Aus diesem Grund habe die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe ihre Teilnahme am testweisen Roll-Out auch an die eGK geknüpft.
„Die für die Gematik-App notwendige PIN haben nach unseren Informationen bisher weniger als ein Prozent der Versicherten von ihrer Krankenkasse erhalten“.
so Thomas Kriedel.
Dabei müssen die Praxen sich also nunmehr auch noch E‑Rezept-fähige Patientinnen und Patienten suchen, um das Projekt voranzutreiben.
„Das ist ein Unding.“
laut Thomas Kriedel
Ebenso wie die Tatsache, dass das Ausstellen des E‑Rezeptes und der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) mit einem erhöhten Zeitaufwand und Papierverbrauch für die Praxen einhergehe.
„Uns Deutschen hängt seit jeher der Ruf an, Weltmeister in Sachen Bürokratie zu sein. Diesen Titel können wir mühelos verteidigen, wenn wir mit fortschreitender Digitalisierung den Papierverbrauch sogar noch erhöhen“.
betonte Thomas Kriedel
Bürokratiekostenindex
Der gestiegene Zeitaufwand lasse sich mit dem aktuellen Bürokratiekostenindex (BIX) klar belegen.
Alleine die eAU verursachte einen Zusatzaufwand in Höhe von mehr als einer Million Arbeitsstunden pro Jahr in den Praxen.
„Anstatt also die Praxen zu entlasten, hat die bisherige Digitalisierungspolitik die Praxen nachweislich immer noch weiter belastet.“
Normenkontrollrat
Daher hat die KBV Kontakt zum neuen Vorsitzenden des Normenkontrollrates (NKR) gesucht.
„Wir wollen einen Digitalcheck bei jedem einzelnen Gesetzesvorhaben durch den NKR. Projekte und Maßnahmen, die Bürokratie erhöhen, anstatt sie zu reduzieren, dürfen nicht länger die Norm sein“.
fordert Thomas Kriedel.
Konnektortausch
Taten forderte er auch in Sachen Konnektortausch.
Kriedel äußerte wenig Verständnis dafür, dass die Gematik erst in einem Jahr Aussagen über mögliche Alternativen zum Konnektortausch treffen solle.
„Wir wollen den Praxen die Sicherheit geben, dass sie sich alternativ an Konnektorfarmen anschließen können. Dazu braucht es jedoch eine Zertifizierung dieser Variante durch die Gematik und rechtliche Klarheit bei Datenschutz und ‑sicherheit.“
Der Anschluss koste weniger als die Anschaffung eines Konnektors, es fielen dann jedoch Mietkosten und Aufwände für eine besonders sichere VPN-Anbindung inklusive Firewall an, erläuterte Kriedel.
„Wir wollen hier eine geeignete Finanzierungsvereinbarung herbeiführen. Denn aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes sollen die Praxen die Kosten dafür tragen – das sehen wir anders“.
so Thomas Kriedel
Also lassen Sie sich gut beraten.