Ein Kirchenaustritt bringt auch datenschutzrechtliche Fragen mit sich, insbesondere hinsichtlich des Rechts auf Löschung personenbezogener Daten. Zumindest dann, wenn nach dem Kirchenaustritt ebenfalls eine Löschung aus dem Taufbuch erfolgen soll.
Der EuGH
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich mit einem solchen Fall aus Belgien zu befassen. Auf ein Löschersuchen eines Ausgetretenen im Jahr 2021 teilte das Bistum Gent diesem mit, dass statt einer Löschung lediglich ein Vermerk über den Kirchenaustritt im Taufbuch erfolgt. Der Ausgetretene legte Beschwerde bei der Datenschutzaufsicht ein, die gegenüber dem Bistum Gent eine vollständige Löschung aus dem Taufbuch anordnete. Die Datenschutzaufsicht vertritt die Ansicht, dass mit Erhalt des Sakraments der Taufe, welche schriftlich in der örtlichen Pfarrei im Taufbuch registriert wird, sich eine erneute Taufe in einer anderen Pfarrei nicht ausschließen lasse, noch biete es die Sicherheit, einem Identitätsbetrug vorzubeugen. Weiterhin sei die lebenslange Speicherdauer der Daten unverhältnismäßig, wenn die betroffene Person sich von der Kirche distanzieren wolle.
Gerichte nahmen in ähnlichen Fällen bisher kein Löschrecht an. Daher erhob das Bistum Gent Widerspruch beim zuständigen Märktegerichtshof (einer besonderen Abteilung des zuständigen Berufungsgerichts in Belgien),. Welcher den Fall nun zur Entscheidung dem EuGH vorgelegt hat. Es soll unter anderem die Frage geklärt werden, ob eine vollständige Löschung eines Eintrags im Taufregister lediglich durch einen Vermerk über den Kirchenaustritt ersetzt werden dürfe, sofern ein Löschrecht bestehe.
Rechtliche Einordnung
Ist eine Entscheidung wie die der belgischen Datenschutzaufsicht auch in Deutschland denkbar? Ausgangspunkt des Rechts auf Löschung ist grundsätzlich die Datenschutzgrundverordnung (im Folgenden: DSGVO). Jedoch eröffnet Art. 91 DSGVO u. a. Kirchen die Anwendung eigener Datenschutzgesetze, die im Einklang mit der Verordnung stehen. Hiervon haben die Kirchen in Deutschland Gebrauch gemacht, sodass bei datenschutzrechtlichen Fragen im kirchlichen Bereich das Gesetz über den kirchlichen Datenschutz (im Folgenden: KDG) bzw. das Kirchengesetz über den Datenschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland (im Folgenden: DSG-EKD) zu berücksichtigen sind (wir berichteten).
Der Unterschied zum vorliegenden Fall liegt zwar darin, dass in Belgien keine kirchlichen Datenschutzgesetze bestehen und damit nur das Löschungsrecht aus Art. 17 DSGVO Anwendung finden kann. Zumindest ist § 19 KDG aber inhaltlich nahezu identisch. Nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO und § 19 Abs. 1 KDG sind personenbezogene Daten zu löschen, sobald sie für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind.
Interessenabwägung
Ob die Verarbeitung noch notwendig ist, richtet sich dabei nach einer Abwägung der Interessen der beteiligten Parteien. Mit der Taufe erfolgt die Aufnahme in die christliche Gemeinschaft, welche durch einen Eintrag im Taufbuch mit den entsprechenden Daten dokumentiert ist. Mit dem Austritt aus der Kirche sagt sich die betroffene Person wiederum von der kirchlichen Zugehörigkeit los. Will sich aber ggf. auch von der christlichen Gemeinschaft distanzieren.
Eine vollständige Distanzierung wird aber verwehrt, wenn der Taufeintrag bestehen bleibt und so möglicherweise der Anschein erweckt wird, die betroffene Person sei weiterhin Mitglied der Kirche. Möchte man dies nicht mehr, sollte die Aufbewahrung bzw. weitere Speicherung der mit der Taufe erhobenen Daten nicht mehr notwendig sein.
Dass die Kirche ein berechtigtes Interesse an dem Erhalt der Daten hat, ist offensichtlich. Eine Löschung aus dem Taufbuch würde den Anschein erwecken, das Sakrament der Taufe sei nie empfangen worden. Das stünde im Widerspruch zu der von der evangelischen als auch der katholischen Kirche vertretenen Ansicht, eine Taufe – die Aufnahme in die christliche Gemeinschaft – könne nicht rückgängig gemacht werden, da ein unzerstörbares Band mit Gott geknüpft werde.
Unzertörbares Band
Folgte man der kirchlichen Auffassung vom „unzerstörbaren Band“, das mit Gott eingegangen werde, müsste das Sakrament der Taufe über dem Irdischen stehen, sodass nach diesem Verständnis ein (Nicht-)Vorhandensein eines Eintrags im Taufbuch an dieser Verbindung auch nichts ändern kann. Möchte sich der Ausgetretene daher von der Kirche und somit auch von ihrem Wirken unwiderruflich distanzieren, dürfte das Interesse des Ausgetretenen das Interesse der Kirche, einen Taufbucheintrag zu erhalten, der lediglich etwas dokumentiert, das ohnehin fortbesteht, überwiegen.
Die belgische Datenschutzaufsicht verneinte ein berechtigtes Interesse der Kirche auch aus dem Grund, da die Erhebung der Daten mit Sicherheit nicht für Archivzwecke erfolgte und keine angemessene Datenschutzinformation dahingehend erteilt wurde.
Selbstbestimmungsrecht
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass deutsche Gerichte in Zukunft ähnlich wie die belgische Datenschutzaufsicht entscheiden. Bereits vor der DSGVO verneinten deutsche Gerichte ein Löschrecht insbesondere aus dem Grund, da es sich bei einem Löschbegehren aus dem Taufbuch um eine innerkirchliche Angelegenheit handele, in die der Staat nicht eingreifen dürfe. Dies ergäbe sich bereits aus dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche, das in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV verankert sei. Außerdem wird mit der Novellierung des KDG der neue § 19 Abs 1 lit. f) KDG eingeführt. Dieser schließt, unter anderem, die Löschung von Einträgen aus dem Taufbuch ausdrücklich aus. Die neue Regelung, die frühestens 2026 in Kraft tritt, macht deutlich, dass empfangene Sakramente wie die Taufe nicht dem Recht auf Löschung unterliegen.
Fazit
In erster Linie ist der Kirchenaustritt wohl eine Entscheidung gegen die Kirche und nicht automatisch auch gegen den christlichen Glauben. Es gibt sicher einige Personen, die sich zwar vom Wirken der Kirche distanzieren, aber trotzdem Teil der christlichen Gemeinschaft bleiben wollen. Somit auch nichts gegen das Bestehen des Taufbucheintrags einzuwenden haben.
Also lassen Sie sich gut beraten.