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Kir­chen­aus­tritt

Lese­dau­er 5 Minu­ten

Ein Kir­chen­aus­tritt bringt auch daten­schutz­recht­li­che Fra­gen mit sich, ins­be­son­de­re hin­sicht­lich des Rechts auf Löschung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten. Zumin­dest dann, wenn nach dem Kir­chen­aus­tritt eben­falls eine Löschung aus dem Tauf­buch erfol­gen soll.

Der EuGH

Der Euro­päi­sche Gerichts­hof (EuGH) hat sich mit einem sol­chen Fall aus Bel­gi­en zu befas­sen. Auf ein Löscher­su­chen eines Aus­ge­tre­te­nen im Jahr 2021 teil­te das Bis­tum Gent die­sem mit, dass statt einer Löschung ledig­lich ein Ver­merk über den Kir­chen­aus­tritt im Tauf­buch erfolgt. Der Aus­ge­tre­te­ne leg­te Beschwer­de bei der Daten­schutz­auf­sicht ein, die gegen­über dem Bis­tum Gent eine voll­stän­di­ge Löschung aus dem Tauf­buch anord­ne­te. Die Daten­schutz­auf­sicht ver­tritt die Ansicht, dass mit Erhalt des Sakra­ments der Tau­fe, wel­che schrift­lich in der ört­li­chen Pfar­rei im Tauf­buch regis­triert wird, sich eine erneu­te Tau­fe in einer ande­ren Pfar­rei nicht aus­schlie­ßen las­se, noch bie­te es die Sicher­heit, einem Iden­ti­täts­be­trug vor­zu­beu­gen. Wei­ter­hin sei die lebens­lan­ge Spei­cher­dau­er der Daten unver­hält­nis­mä­ßig, wenn die betrof­fe­ne Per­son sich von der Kir­che distan­zie­ren wolle.

Gerich­te nah­men in ähn­li­chen Fäl­len bis­her kein Lösch­recht an. Daher erhob das Bis­tum Gent Wider­spruch beim zustän­di­gen Märk­te­ge­richts­hof (einer beson­de­ren Abtei­lung des zustän­di­gen Beru­fungs­ge­richts in Bel­gi­en),. Wel­cher den Fall nun zur Ent­schei­dung dem EuGH vor­ge­legt hat. Es soll unter ande­rem die Fra­ge geklärt wer­den, ob eine voll­stän­di­ge Löschung eines Ein­trags im Tauf­re­gis­ter ledig­lich durch einen Ver­merk über den Kir­chen­aus­tritt ersetzt wer­den dür­fe, sofern ein Lösch­recht bestehe.

Recht­li­che Einordnung

Ist eine Ent­schei­dung wie die der bel­gi­schen Daten­schutz­auf­sicht auch in Deutsch­land denk­bar? Aus­gangs­punkt des Rechts auf Löschung ist grund­sätz­lich die Daten­schutz­grund­ver­ord­nung (im Fol­gen­den: DSGVO). Jedoch eröff­net Art. 91 DSGVO u. a. Kir­chen die Anwen­dung eige­ner Daten­schutz­ge­set­ze, die im Ein­klang mit der Ver­ord­nung ste­hen. Hier­von haben die Kir­chen in Deutsch­land Gebrauch gemacht, sodass bei daten­schutz­recht­li­chen Fra­gen im kirch­li­chen Bereich das Gesetz über den kirch­li­chen Daten­schutz (im Fol­gen­den: KDG) bzw. das Kir­chen­ge­setz über den Daten­schutz der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land (im Fol­gen­den: DSG-EKD) zu berück­sich­ti­gen sind (wir berichteten).

Der Unter­schied zum vor­lie­gen­den Fall liegt zwar dar­in, dass in Bel­gi­en kei­ne kirch­li­chen Daten­schutz­ge­set­ze bestehen und damit nur das Löschungs­recht aus Art. 17 DSGVO Anwen­dung fin­den kann. Zumin­dest ist § 19 KDG aber inhalt­lich nahe­zu iden­tisch. Nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO und § 19 Abs. 1 KDG sind per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten zu löschen, sobald sie für die Zwe­cke, für die sie erho­ben oder auf sons­ti­ge Wei­se ver­ar­bei­tet wur­den, nicht mehr not­wen­dig sind.

Inter­es­sen­ab­wä­gung

Ob die Ver­ar­bei­tung noch not­wen­dig ist, rich­tet sich dabei nach einer Abwä­gung der Inter­es­sen der betei­lig­ten Par­tei­en. Mit der Tau­fe erfolgt die Auf­nah­me in die christ­li­che Gemein­schaft, wel­che durch einen Ein­trag im Tauf­buch mit den ent­spre­chen­den Daten doku­men­tiert ist. Mit dem Aus­tritt aus der Kir­che sagt sich die betrof­fe­ne Per­son wie­der­um von der kirch­li­chen Zuge­hö­rig­keit los. Will sich aber ggf. auch von der christ­li­chen Gemein­schaft distanzieren. 

Eine voll­stän­di­ge Distan­zie­rung wird aber ver­wehrt, wenn der Tauf­ein­trag bestehen bleibt und so mög­li­cher­wei­se der Anschein erweckt wird, die betrof­fe­ne Per­son sei wei­ter­hin Mit­glied der Kir­che. Möch­te man dies nicht mehr, soll­te die Auf­be­wah­rung bzw. wei­te­re Spei­che­rung der mit der Tau­fe erho­be­nen Daten nicht mehr not­wen­dig sein.

Dass die Kir­che ein berech­tig­tes Inter­es­se an dem Erhalt der Daten hat, ist offen­sicht­lich. Eine Löschung aus dem Tauf­buch wür­de den Anschein erwe­cken, das Sakra­ment der Tau­fe sei nie emp­fan­gen wor­den. Das stün­de im Wider­spruch zu der von der evan­ge­li­schen als auch der katho­li­schen Kir­che ver­tre­te­nen Ansicht, eine Tau­fe – die Auf­nah­me in die christ­li­che Gemein­schaft – kön­ne nicht rück­gän­gig gemacht wer­den, da ein unzer­stör­ba­res Band mit Gott geknüpft werde.

Unzer­tör­ba­res Band

Folg­te man der kirch­li­chen Auf­fas­sung vom „unzer­stör­ba­ren Band“, das mit Gott ein­ge­gan­gen wer­de, müss­te das Sakra­ment der Tau­fe über dem Irdi­schen ste­hen, sodass nach die­sem Ver­ständ­nis ein (Nicht-)Vorhandensein eines Ein­trags im Tauf­buch an die­ser Ver­bin­dung auch nichts ändern kann. Möch­te sich der Aus­ge­tre­te­ne daher von der Kir­che und somit auch von ihrem Wir­ken unwi­der­ruf­lich distan­zie­ren, dürf­te das Inter­es­se des Aus­ge­tre­te­nen das Inter­es­se der Kir­che, einen Tauf­buch­ein­trag zu erhal­ten, der ledig­lich etwas doku­men­tiert, das ohne­hin fort­be­steht, überwiegen.

Die bel­gi­sche Daten­schutz­auf­sicht ver­nein­te ein berech­tig­tes Inter­es­se der Kir­che auch aus dem Grund, da die Erhe­bung der Daten mit Sicher­heit nicht für Archiv­zwe­cke erfolg­te und kei­ne ange­mes­se­ne Daten­schutz­in­for­ma­ti­on dahin­ge­hend erteilt wurde.

Selbst­be­stim­mungs­recht

Es ist sehr unwahr­schein­lich, dass deut­sche Gerich­te in Zukunft ähn­lich wie die bel­gi­sche Daten­schutz­auf­sicht ent­schei­den. Bereits vor der DSGVO ver­nein­ten deut­sche Gerich­te ein Lösch­recht ins­be­son­de­re aus dem Grund, da es sich bei einem Lösch­be­geh­ren aus dem Tauf­buch um eine inner­kirch­li­che Ange­le­gen­heit han­de­le, in die der Staat nicht ein­grei­fen dür­fe. Dies ergä­be sich bereits aus dem Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­che, das in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV ver­an­kert sei. Außer­dem wird mit der Novel­lie­rung des KDG der neue § 19 Abs 1 lit. f) KDG ein­ge­führt. Die­ser schließt, unter ande­rem, die Löschung von Ein­trä­gen aus dem Tauf­buch aus­drück­lich aus. Die neue Rege­lung, die frü­hes­tens 2026 in Kraft tritt, macht deut­lich, dass emp­fan­ge­ne Sakra­men­te wie die Tau­fe nicht dem Recht auf Löschung unterliegen.

Fazit

In ers­ter Linie ist der Kir­chen­aus­tritt wohl eine Ent­schei­dung gegen die Kir­che und nicht auto­ma­tisch auch gegen den christ­li­chen Glau­ben. Es gibt sicher eini­ge Per­so­nen, die sich zwar vom Wir­ken der Kir­che distan­zie­ren, aber trotz­dem Teil der christ­li­chen Gemein­schaft blei­ben wol­len. Somit auch nichts gegen das Bestehen des Tauf­buch­ein­trags ein­zu­wen­den haben.

Also las­sen Sie sich gut beraten.

Kommentar

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