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Der Post­sack und die DSGVO

Lese­dau­er 6 Minu­ten

Immer wie­der erge­hen Urtei­le zum Daten­schutz­recht, die etwas aus dem Rah­men fal­len. So auch beim Post­sack und der DSGVO.

In unse­rem Nach­bar­land Öster­reich wur­de vor eini­gen Wochen vom Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Wien (Urteil als PDF) eine Ent­schei­dung getrof­fen, die wegen ihrer grund­le­gen­den Bedeu­tung für das euro­päi­sche Daten­schutz­recht eine beson­de­re Erwäh­nung verdient.

Dem Urteil lag fol­gen­der, so vom Gericht selbst kurz zusam­men­ge­fass­ter Sach­ver­halt zugrunde:

„Ver­fah­rens­ge­gen­ständ­lich ist, ob durch das unbe­auf­sich­tig­te Abstel­len eines Post­sacks (Depot­sacks), der adres­sier­ten Brief­sen­dun­gen ent­hält, auf einer öffent­li­chen Stra­ße durch einen Post­dienst­leis­ter der Anwen­dungs­be­reich der DSGVO eröff­net und die Daten­si­cher­heit ver­letzt wird und eine „Data breach noti­fi­ca­ti­on“ im Sin­ne des Art 33 DSGVO an die belang­te Behör­de zu erstat­ten ist.“

Der­ar­ti­ge Fäl­le sind gewiss nichts Neues. 

Denn es ist mitt­ler­wei­le bekannt, dass sen­si­ble „Post“ und eben­so Doku­men­te mit per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten an einem gesi­cher­ten Ort auf­be­wahrt wer­den müssen.

Zusätz­lich müs­sen die­se wäh­rend des Trans­ports ange­mes­sen geschützt sein.

In der Regel gibt es durch die grau­en Ver­tei­ler­käs­ten hier­zu­lan­de und auf unter­schied­li­chen Trans­port­we­gen diver­se Schutzvorkehrungen.

Aber offen­bar ver­hielt es sich in der hier bespro­che­nen Situa­ti­on in Öster­reich etwas anders.

Das Urteil beinhal­tet pri­mär zwei inter­es­san­te Aus­füh­run­gen zur DSGVO.

1. Fin­det die DSGVO über­haupt Anwendung?

Zunächst stell­ten die Rich­ter aus Wien fest, dass ein Post­sack (Depot­sack) als Datei­sys­tem im Sin­ne von Art. 4 Zif­fer 2 DSGVO gilt. Damit fällt er unter den Begriff der „Ver­ar­bei­tung“.

Infol­ge­des­sen war der Anwen­dungs­be­reich der euro­päi­schen Ver­ord­nung eröff­net, sodass die daten­schutz­recht­li­chen Vor­ga­ben aus der DSGVO auch bei die­sen Hand­lun­gen ein­zu­hal­ten sind.

Mit der Fol­ge, dass dem nam­haf­ten Post- und Trans­port­un­ter­neh­men aus Öster­reich sogar hohe Buß­gel­der drohen.

Im Urteil heißt es hierzu:

„Ein Datei­sys­tem ist gemäß Art 4 Z 6 DSGVO jede struk­tu­rier­te Samm­lung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten, die nach bestimm­ten Kri­te­ri­en zugäng­lich sind, unab­hän­gig davon, ob die­se Samm­lung zen­tral, dezen­tral oder nach funk­tio­na­len oder geo­gra­fi­schen Gesichts­punk­ten geord­net geführt wird.

Es reicht aus, wenn die Daten nach bestimm­ten Kri­te­ri­en so struk­tu­riert sind, die die­se in der Pra­xis zur spä­te­ren Ver­wen­dung leicht wie­der­auf­find­bar machen.

So ist es gewiss frag­lich, ob die­se Kri­te­ri­en der Recht­spre­chung bei einem sol­chen Post­sack gege­ben sind.

Ins­be­son­de­re da die Brie­fe der Emp­fän­ger die­ser einen Regi­on nur „lose“ zusam­men in die­sem Beu­tel gepackt und dar­in für einen über­schau­ba­ren Zeit­raum (von einem Tag?) auf­be­wahrt sind.

Aber schluss­end­lich bejah­ten die Rich­ter die­se Kri­te­ri­en wie folgt:

„Für die Beur­tei­lung, ob die in der Daten­an­wen­dung „Brief­ver­sand“ ver­ar­bei­te­ten Daten der­art struk­tu­riert sind, dass sie leich­ter wie­der­ge­fun­den wer­den kön­nen, ist daher die Sor­tie­rung maß­geb­lich, wel­che die Beschwer­de­füh­re­rin im Rah­men der Bereit­stel­lung der Dienst­leis­tung „Brief­zu­stel­lung“ vornimmt.

Kommt es zu einer „Last-mile-Zustel­lung“ sind die Brief­sen­dun­gen strukturiert. 

Besag­te Struk­tu­rie­rung erfolgt, indem die Brief­sen­dun­gen je nach Post­leit­zahl und Stra­ßen­na­me der Emp­fän­ger­adres­se über allen­falls meh­re­re Logis­tik­zen­tren ver­teilt sind bis sie schließ­lich am für die Ziel­adres­se zustän­di­gen Logis­tik­zen­trum ange­langt sind.

Dort wer­den die für den jewei­li­gen Zustell­be­reich adres­sier­ten Brief­sen­dun­gen in Post­sä­cke ein­ge­ord­net und letzt­lich von Briefzusteller:innen den jewei­li­gen Empfänger:innen übergeben.

In einem Depot­sack befin­den sich damit nur mehr Brief­sen­dun­gen eines bestimm­ten Zustell­be­reichs, wodurch es den Briefzusteller:innen mög­lich ist, die Brie­fe leicht auf­zu­fin­den, um sie ihren Empfänger:innen zuzu­ord­nen und zu übergeben.

Sor­tier­kri­te­ri­en sind die Post­leit­zahl und der Stra­ßen­na­me der Emp­fän­ger­adres­se. Im Hin­blick auf die Empfänger:innen der Brief­sen­dung sind die­se personenbezogen.

Damit gleicht der Sach­ver­halt aber gera­de dem des zuvor zitier­ten EuGH Urteil zu Grun­de lie­gen­den Sach­ver­halts (EuGH 10.07.2018, C‑25/17), in dem der EuGH im Fal­le von hand­schrift­li­chen Noti­zen über Bewoh­ner, die auf Grund der Erhe­bungs­me­tho­de bestimm­ten geo­gra­phi­schen Berei­chen zuge­ord­net wor­den sind, von einer aus­rei­chen­den Struk­tu­rie­rung und damit von einer (damals) Datei aus­ge­gan­gen ist.“

Folg­lich unter­liegt auch das Sam­meln von Brie­fen für eine bestimm­te Regi­on kurz vor direk­ter Zustel­lung in die Brief­käs­ten in einem sol­chen blick­dich­ten und zusam­men­ge­schnür­ten Beu­tel den Anfor­de­run­gen der DSGVO.

2. Wel­che TOMs sind zu fordern?

Die zwei­te — nicht weni­ger fol­gen­schwe­re — Fra­ge war, ob durch das unbe­wach­te Abstel­len die­ses Post­sacks auf der öffent­li­chen Stra­ße, wor­auf­hin Mitarbeiter:innen einer sich dort in der Nähe befind­li­chen Kanz­lei die­sen Sack (unbe­wacht) am Ort ste­hen sahen und des­halb (aus Sicher­heits­grün­den) in die Kanz­lei­räu­me auf­nah­men, eine Ver­let­zung der tech­nisch-orga­ni­sa­to­ri­schem Maß­nah­men (TOMs) nach Art. 32 DSGVO bestand, aus der im Übri­gen auch der theo­re­tisch buß­geld­be­währ­te Daten­schutz­vor­fall resultierte.

Denn wenn die per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten (Brie­fe) nicht ent­spre­chend sicher ver­ar­bei­tet und auf Grund bestimm­ter Hand­lun­gen z.B. zer­stört oder aber Unbe­fug­ten offen­bart sind, liegt glei­cher­ma­ßen auch noch eine „Daten­pan­ne“ nach Arti­kel 33 DSGVO vor.

Die­se gilt es dann recht­zei­tig der zustän­di­gen Auf­sichts­be­hör­de im Daten­schutz zu melden.

Dies­be­züg­lich stell­te das Gericht fest, dass bereits durch das unbe­wach­te Abstel­len die­ses Post­sacks auf öffent­li­cher Stra­ße die gefor­der­ten, ange­mes­se­nen tech­nisch-orga­ni­sa­to­ri­schen Maß­nah­men im Sin­ne der DSGVO ver­letzt waren. 

Da hilft es auch nicht, dass der Sack blick­dicht ist und die „Eigentümer:innen“ erken­nen lässt.

Das Gericht führ­te hier­zu aus:

„Beim Abstel­len eines Sackes auf einem öffent­li­chen Geh­steig besteht das Risi­ko, dass unbe­fug­te Drit­te, den ver­meint­lich her­ren­lo­sen Sack – sei es in guter oder in böser Absicht – an sich neh­men, um ihn zu beschä­di­gen oder zu ver­nich­ten (Van­da­lis­mus), zu öff­nen, um sich zu berei­chern oder weil der Eigen­tums­hin­weis über­se­hen wird – um den recht­mä­ßi­gen Eigen­tü­mer zu ermit­teln. Dabei wür­den sie die im Sack ent­hal­te­nen Brie­fe ver­nich­ten oder in die Absen­der und Emp­fän­ger der (adres­sier­ten) Brie­fe sowie allen­falls in ihren Inhalt Ein­sicht neh­men kön­nen, wodurch meh­re­re hun­dert Betrof­fe­nen in ihrem Recht auf Geheim­hal­tung oder Ver­füg­bar­keit sie betref­fen­der per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten, näm­lich Name, Adres­se und Inhalt der Kor­re­spon­denz, ver­letzt wür­den. Das Risi­ko ist im städ­ti­schen Gebiet erhöht, weil es dort zu einem erhöh­ten Auf­kom­men vom Pas­san­ten kommt. Eine von jeder­mann zu öff­nen­de Kor­del kann davor nicht schützen.“

Und so beur­teilt das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt aus Wien rechts­dog­ma­tisch kor­rekt und kon­se­quent die Sach­la­ge unter Anwen­dung der DSGVO. Sie bejah­te damit die Daten­schutz­ver­let­zung des Postdienstleisters.

Gleich­zei­tig wur­den die Kri­te­ri­en zur Annah­me einer Ver­ar­bei­tung gem. DSGVO mit die­sem Urteil gefes­tigt wie das Offen­sicht­li­che bestätigt:

Das blo­ße und unbe­wach­te Abstel­len eines kaum gesi­cher­ten Post­sacks mit Brie­fen vie­ler Empfänger:innen ent­spricht nicht den gefor­der­ten tech­nisch-orga­ni­sa­to­ri­schen Maß­nah­men der DSGVO.

Auch dies zeigt, dass selbst bei alt­ge­wohn­ten Ver­fah­ren und Abläu­fen nicht immer an den Daten­schutz gedacht ist.

Also las­sen Sie sich gut beraten.

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